Wie beginnt man den ersten Tag eines Festivals, dass mit über 185 Filmen und je zwei Vorstellungen verteilt auf 6 Kinosäle zwischen dem Aristoteles Platz und dem „Hafen“- Kulturzentrum in den alten Lagerhallen, in 10 Tagen zwischen 11:00 und 23: 00 antritt?
3 Wege am Wasser entlang den ersten Tag des Dokumentarfilmfestivals zu begehen:
Altes Lagerhaus 1, erster Film im Programm. Oder: Dokumentarfilm als das gute schlechte Gewissen der Medien
Peter Wintonicks Medien-Porträt„Manufacturing Consent“ (Die Konsensfabrik;1993; Videostill links) ist eine Untersuchung der politischen und intellektuellen Ideen des damals umstrittenen, bis heute welt-bekannten Linguisten und Aktivisten Noam Chomsky. Eine Lecture in kritischer Selbst-Verteidigung der eigenen Überzeugungen, die dem Zuschauer in einer immensen Anzahl an Interview und Vortragsmaterial nahegebracht wird, die Chomsky immer wieder der Presse gab. Der Film bewältigt auf provokative und humorvolle Weuse ein Monument an Archivmaterial, um die Kritik der Medien für die heutige Zeit zu aktualisieren. Damit ist der überraschend zugängliche Filmeine Hommage an die Wichtigkeit des ‚Freedom of Speech‘ und ermahnt an die Notwendigkeit verantwortungsvoller Selbst-Reflexion von Berichterstattern und Filmemachern, als die gute und schlechte Gewissensinzstanz der Medien.
Komplett wachgerüttelt und intellektuell geschärft begrüßt einen die ‚reale‘ Welt am Kinoausgang mit blendendem Sonnenlicht und salziger Meeresbrise. Grad Zeit genug eine Runde am ‚Hafen‘ zu drehen und Anglern beim Fischen zu zu gucken, bis…
Der zweite erste Weg Film: Auf Empfehlung des Festivals. Oder : Dokumentarfilm als Kino pur!
In „Los posibles“ (Die Möglichen; 2013; Videostill links) beweist der argentinische Regisseur Santiago Mitre wie auch ein Dokumentarfilm komplett ohne Talking Heads und erklärenden Stimmen aus dem Off auskommt. Der Film ‚dokumentiert‘ die Proben und Inszenierung des Tanzstücks einer Gruppe von Tänzern: Eine sowohl in filmischer wie tänzerischer Hinsicht herausragende Choreographie, in der die kalten Hallen des Backstage eines opulenten Theatersaals über Licht, Bewegung und Musik in eine sensible und testosterongeladene Szenerie verwandelt werden. Die Geschichten der jungen Männer werden uns über ihre Körpergesten und Tanz nahegebracht, die sie dem einsamen Drummer im Dunklen demonstrieren. Nur im Dialog mit dem Licht entsteht dabei ihre besondere und eigenwillige Bühne.
Total berauscht zurück zum Aristoteles Platz, eine erste Erlösung von der Qual der Wahl bietet die Auswahl an Cafes, Restaurants und Bars, bei denen man mit einem Tagesticket mind. 10% Rabatt erhält – und eine Tour durch das Zentrum der Stadt.
Der dritte erste Weg: Folge den offiziellen Zeremonien
Vor dem Kino demonstrieren Jugendliche zur Abendstunde mit Hip Hop Musik und die Filmemacher tummeln sich dazu, wartend auf den Einlass. Der Wagen des Live-Stream Team fährt vor, Kennenlernen auf den rotten Sesseln, Freiwillige in gelben T-Shirts versorgen liebevoll die ‚Internationals‘ mit Kopfhörern. Der Eröffnungsfilm „Linar“ (2013) von Nastia Tarasova erzählt die Geschichte des russischen Jungen, der eine Herztransplantation in Italien bekommt. Seine Reise und seine Begleiter hat die Regisseurin 5 Jahre lang dokumentiert und mit dem Material alle Register des Melodramas gekonnt umgesetzt. Bewegendes und viel ‚Drama‘ für einen willkommen heißenden Anfang, sagt sie einführend selbst dazu.
Damit schließt das Dreier-Gespann und verdeutlicht das, was Festivaldirektor und Bürgermeister der Stadt bei ihrer Eröffnunsgrede als Motto nochmals betont haben: Das Festival ist ein Appell an die notwendige „ Ermöglichung von Zugang zu freien und alternativen Film-Geschichten, die informativ, ebenso unterhaltsam und berührend sind“. Dies ist auch ein Zeichen gerichtet an die ‚Fernsehanstalten‘, die Förderung des Festivals und von Dokumentarfilmproduktionen dieser Art nicht zu vergessen.
Die Diskussionen über Filme, Macher und Kritiker verlagern sich schließlich zur Opening Party in die Bar Rover ( Salaminos Str 6) und verbinden sich noch einmal mit Musik, Tanz und Licht.
Und die nächste Eröffnung?: Ab heute, 15.2.14, eröffnet die das Festival gebleitende Photoausstellung von Enri Canaji, In a sharp frame, der in Albanien geboren und seit Anfang der 1990er in Griechenland lebt. Seine Bilder erzählen von Finanzkrisen, Migration, gesellschaftlich am Rande leben, aber auch erstaunende Geschichten des menschichen Alltags. Im Zentrum für zeitgenössische Kunst Thessaloniki.
Tip des Abends: Das Tanzstück „Erma“ von Athanasia Kanellopoulou mit herausragender Soundarbeit von Thimios Atzaka, in „To Avgo“- „Music Village“ (Das „Ei“ des Musikworkshopsfestivals in Piliou; Valaoritou 4), 20:00 Uhr.
Autorin: Elena Friedrich
Dieser Artikel ist im Kontext des Forschungs- und Filmprojektes der Autorin entstanden, „Mapping the Now Here“.